Funktionelle Störungen ohne Organbefund - Somatoforme Störungen

Was sind somatoforme Störungen?

Von somatoformen Störungen spricht man, wenn körperliche Symptome bestehen, ohne dass dafür trotz sorgfältiger fachärztlicher Abklärung eine hinreichende organische Ursache gefunden werden konnte. Die körperlichen Beschwerden können dabei im Einzelfall sehr unterschiedlich sein. Meist stehen Schmerzen in verschiedenen Körperregionen (Kopf, Rücken, Schulter/Arm, Brust- und Bauchbereich sowie Unterleib) im Vordergrund. Aber auch Schwindelgefühle, Übelkeit, Erbrechen oder Magen-Darm-Beschwerden können vorkommen.

Sind somatoforme Störungen “eingebildet”?

Trotz fehlender organischer Ursachen handelt es sich bei diesen somatoformen Beschwerden keinesfalls um ”eingebildete” oder gar vorgetäuschte körperliche Beschwerden. Die Symptome sind tatsächlich vorhanden und werden von den Betroffenen meist als sehr belastend erlebt, zumal sie häufig zu erheblichen Einschränkungen im Berufsleben, in der Familie oder in der Freizeitgestaltung führen. Nicht selten treten im Laufe der Zeit auch noch zusätzlich stimmungsmäßige Probleme auf.
Auslöser sind meist belastende Lebenssituationen, welche die Schwelle für die Wahrnehmung körperlicher Empfindungen als Beschwerden verändern können. Verursacht werden die Beschwerden häufig durch körperliche, seelische oder auch sexuelle Verletzungen.

Andere Bezeichnungen für das Krankheitsbild

”Somatoforme Störungen” ist eine Diagnose, die in der Allgemeinbevölkerung bisher noch nicht sehr bekannt ist. Früher sprach man von ”funktionellen Beschwerden” ”psychovegetativer Störung” oder auch von ”vegetativer Dystonie”. Auch Bezeichnungen wie ”Reizdarm”, ”Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS)” oder auch ”Fibromyalgie”, wie sie in verschiedenen Fachgebieten der Medizin verwendet werden, sind als Hinweise auf das Vorliegen einer somatoformen Störung zu sehen und bedürfen einer diesbezüglichen Abklärung.

Die oft lange Suche nach der ”richtigen Diagnose”

Patienten mit somatoformen Störungen haben immer wieder die Erfahrung gemacht, dass eine fachärztliche medizinische Abklärung ihrer Beschwerden keinen organischen Befund erbringt und oft viele Male gehört ”ihnen fehlt nichts”. Sie verstehen nicht, warum kein Arzt etwas findet (”ich bilde mir die Schmerzen doch nicht ein”), zweifeln an der Qualität des Arztes und den von ihm durchgeführten Untersuchungen und suchen immer wieder neue Fachärzte auf, um endlich die ”richtige Diagnose” für ihre Krankheit zu bekommen. Als Folge kommt es dann häufig zu medizinisch oft überflüssigen oder sogar schädlichen Untersuchungen und Behandlungen, welche die Beschwerden, wenn überhaupt, dann nur kurzfristig lindern können. Viele Betroffene haben so einen jahrelangen Krankheits- und Leidensweg hinter sich, bevor sie erstmalig überhaupt psychosomatisch abgeklärt und behandelt werden.

Die Diagnose somatoformer Störungen kann meist nur in Kliniken gesichert werden, an denen eine engmaschige fachübergreifende Zusammenarbeit besteht. Nur so gelingt es, zwischen wichtigen körperlichen oder psychischen Befunden einerseits und für die Beschwerden nicht bedeutsamen Zufallsbefunden und Normvarianten andererseits zu unterscheiden, um dann eine gezielte Behandlung einleiten zu können.

Allerdings fällt es von somatoformen Störungen Betroffenen trotz einer solchen sorgfältigen Diagnostik nicht immer leicht zu akzeptieren, dass psychische und soziale Belastungen zu anhaltenden körperlichen Beschwerden führen können. Diese Zusammenhänge wurden lange Zeit auch von der Medizin nicht genügend berücksichtigt, weshalb bis heute nicht wenige der Betroffenen lieber ”richtig krank” wären, selbst wenn dies eine Krebs- oder andere schwerwiegende Erkrankung bedeutete. Dabei gibt es von psychsomatischer Seite durchaus erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeiten für somatoforme Störungen.

Wie häufig sind somatoforme Störungen?

Das gleichzeitige oder wechselnde Auftreten somatoformer Beschwerden wie Kopf- und Rückenschmerzen, Schindelgefühle, Erschöpfungszustände, Herz- und Brustschmerzen, Atemnot oder Übelkeit zählt zu den häufigsten Ursachen, wegen denen Patienten zum Arzt gehen. 20 - 30% aller Arztbesuche geschehen wegen unklaren körperlichen Beschwerden, für die im weiteren Verlauf trotz sorgfältigster fachärztlicher Abklärung keine organische Ursache gefunden werden kann. Neben depressiven und Angsterkrankungen zählen somatoforme Störungen damit zu den häufigsten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen in der Allgemeinbevölkerung.
(Patienteniformation mit freundlicher Genehmigung von der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Uni Mainz)

Wie behandeln wir die somatoformen Störung?

Schwerpunkt bildet eine Verknüpfung von psychotherapeutischen sowie körper- und erlebnisorientierten Verfahren. Die Verfahren entsprechen schulenübergreifenden Konzepten, die sich an den spezifischen Bedürfnissen der Patienten orientieren. Es kommen dabei psychodynamische, verhaltenstherapeutische und systemische Ansätze zum Tragen.

unser Podcast zum Thema (mp3, 6 MB)

Patientenleitlinie der AWMF als Faltblatt

Links für Ärzte

Leitlinie AWMF Umgang mit Patienten mit nicht-spezifischen, funktionellen und somatoformen Körperbeschwerden
Symposiumsvortrag zur Diagnostik und Therapie somatoformer Störungen
Prof. Dr. med. W. Söllner, Nürnberg, Vortragsfolien, .pdf, 571kb

Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin am Ostalb-Klinikum Aalen
aktualisiert am 01.03.2014