Zeitungsartikel der Schwäbischen Post vom 31.5.02 von Anke Schwörer-Haag:
Viel Zeit für Patienten, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Kollegen, fast schon luxuriöse Räume hoch über Aalen - all das lässt auf den für diese Disziplin (über)lebenswichtigen guten Geist hoffen. Die neue Station für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin am Ostalbklinikum kann starten. |
Fünf Jahre harte Arbeit stecken hinter dem Pionierprojekt. Das machte Klinikdirektor Axel Janischowski bei der Übergabe deutlich. Schon 1997 war das erste Fachgespräch geführt worden zu der Idee, eine psychosomatische Abteilung an einem Allgemeinkrankenhaus anzusiedeln. Patienten mit Ess-Störungen, Asthma, Allergien, Ängsten, anhaltenden Schmerzstörungen oder Belastungsreaktionen nach akuten Gesundheits- und Lebenskrisen sollten nicht mehr nur in Spezialkliniken geschickt und damit aus der vertrauten Nähe zur Heimat gerissen werden. 44 Seiten dick war der „Antrag“, den das Sozialministerium im Mai 1998 erhielt. Vier Jahre, zahlreiche zähe Verhandlungen und einen gründlichen Umbau später konnten sich Klinikbeschäftigte, niedergelassene Ärzte und Kreistagsmitglieder nun davon überzeugen, dass dem Vorhaben beste Startbedingungen beschieden sind. Landrat Klaus Pavel freute sich über den weiteren Mosaikstein auf dem Weg zum Kompetenz-Zentrum Gesundheit. | Es sei gelungen, dieses neue Angebot so überzeugend in ein Konzept einzubinden, dass auch Ministerium und Kostenträger begeistert werden konnten. Pavel wünschte nicht nur, dass auf der schönen Station mit 18 Bettenplätzen nun immer Zeit für ein Gespräch mit dem Patienten gefunden werde. Er war auch überzeugt, dass die Kliniken des Kreises bis 2005/06 fit für die Zukunft seien. Chefarzt Dr. Askan Hendrischke schilderte das breite Angebot der neuen Akutabteilung, in der Tumorpatienten mit ihren Ängsten ebenso Hilfe fänden wie Patienten mit Magersucht oder Opfer von Gewalttaten. Er versprach eine enge Zusammenarbeit mit allen Abteilungen und niedergelassenen Kollegen. Ärztlicher Direktor Professor Dr. Klaus von Maillot beschrieb die guten Erfahrungen, die man bereits Mitte der 80er Jahre mit einer psychologischen Begleitung in der Frauenklinik gemacht habe. Aus Kostengründen habe dieses Angebot eingestellt werden müssen, deshalb stimme es nun hoffnungsvoll, auf die Kompetenz einer Chefarzt-geführten Abteilung setzen zu können. |
Zeitungsartikel der Aalener Nachrichten und SZOnline vom 31.5.02 (Photos Eschenhorn):
Mit einem Festakt wurde die neue Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin am Ostalb-Klinikum ihrer Bestimmung übergeben. Ab 1. Juli gibt es damit erstmals in Ostwürttemberg in einem Allgemeinkrankenhaus eine Spezialabteilung für das gesamte Spektrum psychosomatischer und psychotherapeutisch behandelbarer Erkrankungen. Chefarzt ist Dr. Askan Hendrischke.
"Der eigentliche Gewinner sind die Patienten. Ein langer, dornenreicher Weg - mitunter mit Störfeuern verbunden - geht zu Ende und die Patienten erwartet ein exzellentes Ärzteteam in einem hervorragenden Ambiente", freute sich Ärztlicher Direktor Professor Dr. Klaus von Maillot. Nach fünf Jahren Arbeit im Verborgenen könne man die Stationsübergabe (oberstes Geschoss Bauteil Frauenklinik) feiern, schaute Krankenhausdirektor Axel Janischowski zurück.
1997 habe das erste Fachgespräch stattgefunden mit dem Ziel, den Fachbereich Psychosomatik an einem Zentralklinikum zu installieren. Ermöglicht werde nun eine kompetente Behandlung in der wohltuenden und gesundheitsfördernden Atmosphäre der psychosomatischen Station für Menschen, bei denen aktuelle beziehungsweise dauerhafte psycho-soziale Belastungen zu körperlichen Funktionsstörungen oder zu emotionalen Problemen geführt hätten."Am Ostalb-Klinikum wurde in jüngsterZeit einiges auf den Weg gebracht", beleuchtete Janischowski die Einführung drei neuer Fachabteilungen und drei neuer Schwerpunkte. Bereits am 19. Juni folge ein neuer Mosaikstein, wenn das "Interdisziplinäre Gefäßzentrum" ins Leben gerufen werde. Die Umbaukosten bezifferte der Krankenhausdirektor auf eine Million Euro, wovon das Land die Hälfe an Zuschüssen erstattete.
Wohlfühl-Ambiente"Wir sind auf dem besten Wege vom Krankenhaus zum Kompetenzzentrum Gesundheit", meinte Landrat Klaus Pavel. Den Menschen imOstalbkreis solle auf hohem Niveau medizinische Krankenhausdienstleistung geboten werden. Insgesamt stünden 18 Bettenplätze (Ein- und Zweibettzimmer) zur Verfügung - eine Option für weitere Betten sei mit dem Sozialministerium vereinbart, so der Landrat, der von der schönsten Abteilung im Haus sprach.
Das Wohlfühl-Ambiente für Menschen, deren Körper und Seele aus dem Gleichgewicht sind, konnten die Einweihungsgäste beim Rundgang besichtigen Chefarzt Dr. Askan Hendrischke referierte über die "Konzeption der Klinik für Psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik am Ostalb- Klinikum". Bedeutsam vor der Aufnahme sei ein ausführliches diagnostisches Erstgespräch. Die Behandlungsdauer werde für jeden einzelnen Patienten festgelegt, sie betrage im Mittel vier bis sechs Wochen. Auch Paare und Familien können stationär aufgenommen werden, auf das Geben von Psychopharmaka werde verzichtet.
Die Klinik arbeite, so der Chefarzt, nach einem ressourcenorientiert- ganzheitlichen Behandlungskonzept. Gemeinsam bildeten Ärzte, Psychologen, Pflegekräfte, Kunst-, Musik-, Körper- und Physiotherapeuten mit den Patienten eine therapeutische Gemeinschaft, in der Körper und Seele wieder zu einer Einheit zurückfinden könnten.
Auf diese Weise würden psychotherapeutische und naturheilkundliche Therapieansätze optimal mit dem übrigen medizinischen Leistungsspektrum des Ostalb-Klinikums verknüpft. Ergänzend zur stationären Behandlung bietet die Psychosomatik für Patienten der übrigen Abteilungen des Ostalb-Klinikums eine psychosomatische Konsilsprechstunde an, die auch von Patienten benachbarter Krankenhäuser in Anspruch genommen werden kann. Dr. Hendrischke nimmt seine Tätigkeit am Ostalb-Klinikum am Montag auf.
Zeitungsartikel der Schwäbischen Post von Bernd Zeller:
"Dreimal ist Bremer Recht" scherzt der Chefarzt, der nach den Stationen
Uniklinik Aachen (1991) und der Caritasklinik St.Theresia Saarbrücken (1999)
im Aalener Krankenhaus sich nun zum dritten Mal daran macht, eine psychosomatische
Fachabteilung aufzubauen. "Die organische Medizin stößt oft
an ihre Grenzen", lehrte die Erfahrung den Allgemeinmediziner Hendrischke,
der im Jahr 1978 damit begonnen hat, sich in psychosomatischer Medizin weiterzubilden.
In der Aachener Uniklinik hat Dr. Hendrischke gelernt, psychosomatische und
organische Medizin zu verknüpfen, und auch "Verständnis"
bei den somatisch (Soma = Körper) tätigen Ärzten für die
Sichtweise des Psychosomatikers zu wecken. Mittlerweile gilt als gesichert,
dass bei rund 30 Prozent der im Krankenhaus behandelten Patienten ein psychisches
Problem vorhanden ist. Das Charakteristikum dabei beschreibt er so: "Das
körperliche Symptom ist präsent, ein Behandlungserfolg stellt sich
aber nicht ein. Als Folge davon ist der Patient frustriert. Wirtschaftlich betrachtet
ist die Behandlung ein Desaster". Psychosomatik hingegen verfolge den ganzheitlichen
Ansatz der Behandlung. "Der Psychosomatiker fragt nicht nach den Befunden,
sondern nach dem Befinden des Patienten", erklärt Hendrischke. Patienten,
die vom Arzt zum Psychosomatiker geschickt werden, fühlen sich oft abgeschoben,
"die Patienten denken: Ich hab' doch keine Macke!", kommt Hendrischke
darauf zu sprechen, dass das Wort Psyche negativ belegt ist. Doch die Abgrenzung
zum Psychiater sei eindeutig: Der Patient hat körperliche Beschwerden,
wobei der psychische Faktor für das Entstehen und das Aufrechterhalten
eine wesentliche Rolle spielt. Oder aber ein Patient mit schwerwiegenden körperlichen
Erkrankungen (MS, Krebs) kann die große Krankheitsbelastung nicht mehr
psychisch verkraften. Der Patient wurde X-mal operiert, er kommt mit seinem
Leben nicht mehr zurecht. Hendrischke: "Die Psychosomatik will diese demaskierten
Dinge entdecken."
Im obersten Stock der Aalener Frauen-Klinik (Station 56) wird die Psychosomatik eingerichtet, bis April soll die Fachabteilung 18 Betten haben. "Wir legen Wert auf Komfort. Die Patienten sollen es behaglich haben, schließlich bleiben sie zwischen vier und sechs Wochen. In den Zimmer gibt es keine Fernseher, die Mahlzeiten werden im Gemeinschaftsraum eingenommen. Nachmittags ist Besuch erlaubt", beschreibt der Chefarzt die Station. Zu Hendrischkes Team zählen Psychotherapeuten mit Kompetenz in organischer Medizin, speziell geschulte Pflegekräfte, Kunst-, Musik-und Körpertherapeuten. "Die nicht sprachliche Ebene ist für die Patienten neu und schafft daher einen Erlebnisraum", begründet er den Einsatz der Kunsttherapeuten.
Psychosomatik ist, so Hendrischke, eine "aktive Therapie", mit dem
Patienten werden zu Beginn der Behandlung Ziele vereinbart. "Wir setzen
den Patienten nicht unter eine Käseglocke, es geht um eine realitätsgerichtete
Auseinandersetzung." Als Beispiel nennt er den Patienten mit Essstörungen,
der während der Therapie nach Hause gehen darf. Auch auf die Gefahr hin,
dass sich die Essstörungen wieder einstellen? "Ja", sagt er,
"denn es geht um den Konflikt, der hinter dem Krankheitssymptom, steckt".
Außer den Patienten, die von ihrem Hausarzt in die psychosomatische Klinik
überwiesen werden, wird Dr. Hendrischke abteilungsübergreifend auch
Patienten des Ostalb-Klinikums behandeln. Als Beispiel führt er den an
Krebs erkrankten Patienten an, der sich keiner Chemotherapie unterziehen möchte.
In Absprache mit dem betreffenden Facharzt - Liaison-Dienst genannt - baut der
Psychosomatiker eine Beziehung zu dem Patienten auf. Dabei ist es nicht auszuschließen,
dass der Patient auf die psychosomatische Station verlegt wird. Hendrischke:
"Wir arbeiten patientenorientiert. DieAbteilungsgrenzen müssen fließend
sein, um optimal kooperieren zu können." Diese Kooperationsmöglichkeit
hat Hendrischke dazu bewogen, nach Aalen zu kommen. "Der innovative Ansatz
hier ist, dass sich die Patienten nicht auf der Grünen Wiese befinden,
sondern dort, wo sie krank sind. Die Psyche ist ein integrativer Bestandteil
des Körpers. Und Psychosomatik setzt exakt an den Schnittstellen der somatischen
Medizin an."
aktualisiert am 18.01.2005